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Chowk bedeutet so viel wie Kreisel, und einer dieser Kreisel kam mir wie der Nabel der Stadt vor. Deshalb hatte ich diesen Ort für meine Videoperformance ausgesucht, die ich mit meinem Objekt aus Sari-Strängen im öffentlichen Raum aufnehmen wollte. Um diesen Kreisel zirkulieren Tag und Nacht die unterschiedlichsten Fortbewegungsmittel: Rikschas, Handwagen, Motorräder, Fahrräder, Pferdegespanne und auch Autos. Unmengen von Waren werden von Trägern meist auf den Köpfen in die kleinen Läden in den schmalen Strassen der Altstadt getragen, die gleich dahinter beginnt. Gegenüber befindet sich eine grosse Polizeistation, die über eine Lautsprecheranlage entweder vor Taschendieben warnt, von der Abendzeremonie am Ganges berichtet oder Hindi-Musik spielt.
Am Chowk vorbei tragen oft Gruppen junger Männer die Toten auf Bambusbahren zum Manikarnika-Ghat, dem Verbrennungsplatz unten am Ganges. Meist sind diese in schöne rot-goldene Tücher gewickelt und mit Blumen geschmückt; begleitet werden sie von weiteren jungen Männern, die Mantras singen oder Holzscheite mit sich tragen. Direkt hinter der Polizeistation beginnt jener Stadtteil, der von Moslems bewohnt wird. Auch hier reiht sich ein kleines Geschäft an das andere, vorwiegend mit Haushaltartikeln. Am Rande des Platzes warten Blumenverkäufer mit ihren Malas auf Kundschaft. Dahinter liegt der Parkplatz für Autorikschas, deren Fahrer sich sofort auf einen stürzen, sobald man ihn betritt. Um den Kreisel herum sitzen Taglöhner und warten auf Arbeit. Die Strasse und der Chowk werden von allen genutzt.
Hier stellte ich mich hin, das Objekt aus Saris wie eine grosse Mala um meinen Körper gewickelt – ein Fremdkörper. Fremd wirkte ich an diesem Ort als Weisse, als Frau, durch meine Kleider und das seltsame Objekt. Um mich herum herrschte in unterschiedlichen Tempi eine ununterbrochene Bewegung. Männer sassen um den Kreisel, beobachteten mich, inszenierten sich, schleppten Waren vorbei oder fuhren mit allen Arten von Fahrzeugen über den Platz. Einer wollte mir eine Blume schenken und lief etwas verärgert davon, als ich nicht reagierte, andere umkreisten den Platz mehrmals und betrachteten mich von verschiedenen Seiten.
Ein älterer Taglöhner wies einen Strassenjungen an, sich neben mich zu stellen, um Teil des Bildes zu sein. Ein Polizist, der ihn beobachtete, drohte ihm mit seinem Stock, sodass er sich aus dem Staub machte. Während sich der eine sein Tuch immer wieder um den Kopf band und ein anderer frische Hosen anzog, sang eine Gruppe junger Männer das hinduistische Mantra mit, das aus den Lautsprechern der Polizeistation dröhnte.