
Als ich gegen sechs Uhr früh ankam, war der Platz bereits voller Frauen. Sie sassen in Gruppen zusammen und hatten in ihrer Mitte alles ausgebreitet, was sie für das Ritual brauchten: Kupferkrüge mit Gangeswasser, Malas, Bananen, Kokosnüsse, rotes Farbpulver, Erde und Tulsi. In einigen Gruppen kneteten die Frauen aus Erde kleine Figuren und stellten sie in ihrer Mitte auf. Andere sangen Mantras und bewegten dazu kleine Tongefässe mit brennendem Docht, sogenannte Aartis; von diesen Lichtern leitet sich auch ihr Name ab.

Am Tulsi-Ghat traf ich Aarti und wir gingen zuerst zu ihrer Lehmfigur, die inzwischen mit Malas, Früchten und Aartis übersät war. Frauen berührten und umkreisten sie ohne Unterbruch.
Sie führte mich danach die Treppe hoch auf die Dachterrasse «ihres» Gebäudes und zeigte mir den wunderschönen Ausblick über den Ganges bei Sonnenaufgang. Von einer schmalen Gasse her traten wir in das Gebäude ein. Ein leerer Gang, in dessen Mitte ein Steinwürfel stand, führte uns in einen Raum, der sich auf zwei Seiten öffnet. Hier standen mit Malas vollbehängte Figuren und um sie bewegten sich Menschen, die sich um sie kümmern. In dieser Stadt gibt es unzählige solche Götterstatuen, und ich hatte manchmal den Eindruck, dass es ihnen besser geht als vielen Menschen in Varanasi. Um dies wirklich verstehen zu können, fehlen mir jedoch die nötigen religiösen Gefühle.
Auf den Ganges hin öffnete sich ein breiter Gang, der durch eine «Gittermauer» den Blick nach draussen freigab. Von hier oben betrachtet strahlte der Fluss etwas Heiliges aus, hier glitzerte er in der Morgensonne und hatte nichts von der Kloake, die er auch ist.